Wat man in Bolswingh vertallt

Kaum jemand von uns hat noch gelernt Plattdeutsch zu sprechen. Was einmal ganz normal war, ist heute – zumindest hier bei uns – fast gänzlich aus dem Leben verschwunden. Es gab früher unzählige regionale Dialekte. Auch in Bodelschwingh. Unser Mitglied Friedhelm Kopperschläger fand einen Text von Rektor Schopohl in einer plattdeutschen Übersetzung von Änne Dunschen. Viel Spaß beim Lesen der Geschichte:

Rektor Schopohl
Wat man in Bolswingh van 1810 bis 1815 vertallt

Van Rektor Schopohl, Bolswingh. (Int Plattdütsche översatt van Änne Dunschen)

De Kötter Tösmann in Bolswingh ha nen Suohn, nen ördentlicken, stillen, flietigen Jungen. He was Vadders Stolt un Huopnung. Siene Moder was met iähm nich tefriän, he was iähr te ruhig. „Jung“, sagg se, „eck wuoll, du wörst do, wo de Piäpper Wässt!“

1810 – De Korse bruken Suldaoten – Suldaoten! Einet Dags kam dann de „Strickridder“ (So sagg me föer de franzoisischen Schandarmen) op Tössmanns Huoff, un se nahmen diän knapp 18 Jaohre ollen Jungen met. De Träönen van de Moder, de stille Graom van diäm Vadder, de Pien van Bröers un Süstern, – Se alle konnen do nix dran ännern. Ees nao nem Jaohr kreigen se ne Noahricht van iähm – ut Spanien! „Moder“, schreiw he, „Dien Wunsch es nu erfüllt; eck bün nu dao, wo de Piäpper wässt.“

Trü nao Westfaolenaort dao he auk dao siene Plicht. Dat Liäwen in de Früemde Wöer vör iähm jao biätter wiast, wann he nich de Sehnsucht nao de Häime hatt hä.

Einmaol hetten et: „Tösmann auf Wache!“ De Kameroaden bemitleiden iähm. Van diäm Posten, wo he optrecken sall, wören al drei daut trüggekommen. Optrecken! Afleusen! En Blick op de Ümgiegend! Een Gedanke anne Häime! Angst kennt he nich. He kennt aower dat Schicksal van siene Kameraoden. Iähm blaiht et auk. Et weerd düster. Deipe Stille ringsümhiär. Dao kiekt he noch maol trügg op sien Liäwen un riäcknet af met diäm, de iähm sien Liäwen gegafft ha.

Nu worden Auge un Ohr gespannt. Irgendwo bewiägen sick wat. He glow, de Richtung gefunnen te hebben un dreien sick üm. Dao – Blitz un Knall! He kriegt nen Schlag op dat Koppelschluott. Dat giewt nen Ruck, aower et schmiett iähm nich üm. Nu bohrt sick sien Auge int Düster, op de Stiee, wo et flammte. He hört: Iesen rieft sick an Iesen. De Fiend lädt nigge. Dao bewiägt sick wat. Im Augenblick flügt sien Gewehr an de Backe, Stein un Staohl Funke un Füer! Dump dröhnt en Schuß düör de Nacht. Stille, deipe Stille.

As man Tösmann afleust, liggt achter nen kleinen Hüeggel en spanischen Buer. Fast ümklammert siene stiewen Hänne noch de kolle Wape. Tösmann kriegt nen Orden. Erst 1815, as al längst Frieden was, kam he nao Huse trügge met ne Riege franzoisische Orden op de Borst. Fief Jaohre ha he im Dienst van Früemdlinge in de Früemde gestaohn. Prüßen ha intüschen de allgemeine Wehrpflicht in ingefeuhrt, un nu mogg he noch drei Jaohre bie die Prüßen kloppen. Tösmann es ümmer nen stillen Mann gebliewen. Siene Orden hädden van siene Taten vertellen können, aower he dao et nich. Met de Orden spiälen siene Enkel.

1812 – Zug nao Rußland! Suldaoten! Bolswingh stellt drei Mann. De Marsch geiht nao Hameln anne Weser. Dao lagert de Kumpanei in nem grauten Huoff. De Muer es haug. Anne Paote steiht en Posten. En junger Offzier mäkt de Runne. He kömmt in diän Huoff. „“Möllmann!“ – „Herr Leutnant!“ Im Schatten van de Muer flusterts: „Dies ist die letzte Gelegenheit. Verstehst du mich?“ „Jawoll, Herr Leutnant!“ En warmen Händedruck. Am annern Muorgen es de Kumpanei verschwunnen. Nich in diän Biärg, wie freuher de Blagen van Hameln! An de Weser es dichtet Buschwiärk. Op Müllmanns Huoff was ne Dakkammer, dao lagg noch vör wennigen Jaohren en ollen franzoisischen Tornister. Inne Ecke stonn noch de wuormstickige Schaft van en franzoisischen Püster.

Narath – de Besitzung lagg niebben Tösmanns Huoff – mogg auk nen Suohn stellen. He schreiw tem lessten Maol, as he öwer de russische Grenze gong. – Nüemms hät wier van iähm gehaort.

Auk en jungen Völkmann mogg met nao Rußland. He waor krank in nRußland, waor trüggebracht un starf im Lazarett tau Frankfurt a.d.O. un es dao begraben waorden.

1813 – Wier fong dat graute Morden an. Aower nu gong et nich üm de Rechte van frümde Härrn. Nu golt et, de Frieheit te erringen. Un se waoren dobie, de „Käls ut lesen“. We nennt iähre Namen! Allen voran de junge Här van Bolswingh! Aower de annern? Inne Mule van de Ollen liäwt noch Lehmkühlers Husar, en Ahnen van Stellmaker Raulf. De hat dian ersten un twedden Krieg metgemakt un nao 1870 de „Wacht am Rhein“ gesungen. De vertallt gähne vom Krieg. Bi ne Kinddaup kümmt he op de Lüseplaoge te küren. De Här Pastauer Göbel, diäm dat Thema nich passen, sagg: „Aber Herr Lehmkühler!“ „Wat“, röpt Lehmkühlers Husar, „It wett dat nich gläuwen, Herr Pastauer? Lüs hadden wi, säo graut… as düese Piäpperdause!“ Dao schweig de Pastauer.

De Baron van Bolswingh waor bi Ligny verwunned döer nen Schullerhieb. Trösken ut Mengede fand iähm un schliept iähm in diän Kuhstall van en Buernhues, dat al met Verwunneten vull was. Hen un hiär geiht de Kampf; de Franzausen niemmt dat Hues. Einer süht de lange silverne Halskiette van diem Offzier. In de Iele riett he iähm de Kiette af, aower he riett se de Länge naoh düör de schwaore Schullerwunne. Aowends söcht un findt Trösken sienen half verbloten Leutnant un sorgt füör iähm. – De Här v. Bolswingh was iähm daofüör dankbar. Tietliäbens ha he ne Wiesche in Mengede pachtfrie.

De Baron beholl sien Liäwen lang nen stiewen Arm. In den Schlacht bis Issy in Frankriek foll nu am 3. Juli 1815 de Buer Möllmann, de Desserteur van Hameln.

Op wieder, früemder Aue,
dao liet ein Soldaot,
en ungetallt vergiettener…
Nee, vergiätten sallt se nich sien!

Hochdeutsche Übersetzung

Friedhelm Kopperschläger hat 2023 eine Rück-Übersetzung ins Hochdeutsche angefertigt. Dabei hielt er sich genau an die Plattdeutsche Urschrift, um die Originalität zu bewahren. Konnten Sie den Plattdeutschen Text problemlos lesen und verstehen? Falls nicht, hier nun die Hochdeutsche Version.

Friedh. Kopperschläger
Was man in Bodelschwingh von 1810 bis 1815 erzählt

Von Rektor Schopohl (1), Bodelschwingh. Ins Plattdeutsche übersetzt von Änne Dunschen. Im Jahre 2023 zurück übersetzt ins Hochdeutsche und mit Anmerkungen versehen von Friedhelm Kopperschläger.

Der Kötter (2) Tösmann in Bodelschwingh hat einen Sohn, einen ordentlichen, stillen, fleißigen Jungen. Er war Vaters Stolz und Hoffnung. Seine Mutter war mit ihm nicht zufrieden, er war ihr zu ruhig. „Jung“, sagte sie, „ich will, du wärst da, wo der Pfeffer wächst!“

1810 – Der Korse (3) braucht Soldaten! Eines Tages kamen dann die „Strickreiter“ (4) (so sagt man für die französischen Gendarmen) auf Tösmanns Hof, und sie nahmen den knapp 18 Jahre alten Jungen mit. Die Tränen von der Mutter, der stille Gram von seinem Vater, die Pein von Brüdern und Schwestern, – sie alle konnten nichts daran ändern. Erst nach einem Jahr kriegten sie eine Nachricht von ihm – aus Spanien! „Mutter“, schreibt er, „Dein Wunsch ist nun erfüllt; ich bin nun da, wo der Pfeffer wächst.“

Treu nach Westfalenart tut er auch da seine Pflicht. Das Leben in der Fremde wäre für ihn ja besser gewesen, wenn er nicht die Sehnsucht nach zu Hause gehabt hätte.

Einmal hieß es: „Tösmann auf Wache!“. Die Kameraden bemitleiden ihn. Von diesem Posten, wo er antreten soll, waren alle drei tot zurückgekommen. Antreten! Ablösen! Ein Blick auf die Umgegend. Ein Gedanke an die Heimat! Angst kennt er nicht. Er kennt aber das Schicksal von seinen Kameraden; ihm blüht es auch. Es wird dunkel. Tiefe Stille rings umher. Da sieht er nochmal zurück auf sein Leben und rechnet ab mit denen, die ihm dieses Leben gegeben haben.

Nun werden Auge und Ohr gespannt. Irgendwo bewegt sich was. Er glaubt, die Richtung gefunden zu haben und dreht sich um. Da – Blitz und Knall! Er kriegt einen Schlag auf das Koppelschloss. Das gibt einen Ruck, aber es schmeißt ihn nicht um. Nun bohrt sich sein Auge ins Dunkel, auf die Stelle, wo es flammte. Er hört: Eisen reibt sich an Eisen. Der Feind lädt neu. Da bewegt sich was. Im Augenblick fliegt sein Gewehr an die Backe. Stein und Stahl! Funke und Feuer! Dumpf dröhnt ein Schuss durch die Nacht. Stille, tiefe Stille.

Als man Tösmann ablöst, liegt hinter einem kleinen Hügel ein spanischer Junge. Fest umklammern seine steifen Hände noch die kalte Waffe.

Tösmann kriegt einen Orden. Erst 1815, als längst Frieden war, kam er nach Hause und trug eine Reihe französischer Orden an der Brust. Fünf Jahre hat er im Dienst für die Fremdlinge in der Fremde gestanden. Preußen hat inzwischen die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, und nun muss er noch drei Jahre bei den Preußen kloppen (5). Tösmann ist immer ein stiller Mann geblieben. Seine Orden hätten von seinen Taten erzählen können, aber er tat es nicht. Mit den Orden spielen seine Enkel.

1812 – Zug nach Russland! Soldaten! Bodelschwingh stellt drei Männer. Der Marsch geht nach Hameln an der Weser. Dort lagert die Kumpanei (6) in einem großen Hof. Die Mauer ist hoch. Am Tor steht ein Posten. Ein junger Offizier macht die Runde. Er kommt in den Hof.

„M ö l l m a n n !“ – „Herr Leutnant!“ Im Schatten der Mauer flüstert es: „Dies ist die letzte Gelegenheit. Verstehst du mich?“ – „Jawohl, Herr Leutnant!“ Ein warmer Händedruck. Am anderen Morgen ist die Kumpanei verschwunden. Nicht in den Berg wie früher die Kinder von Hameln! An der Weser ist dichtes Buschwerk. Auf Möllmanns Hof war eine Dachkammer; da lag noch vor wenigen Jahren ein alter französischer Tornister. In der Ecke steht noch der wurmstichige Schaft von einem französischen Püster (7).

Narath – der Besitz liegt neben Tösmanns Hof – musste auch einen Sohn stellen. Er schreibt zum letzten Mal, dass er über die russische Grenze geht. – Niemals hat man wieder von ihm gehört.

Auch der Junge Völkmann musste mit nach Russland. Er wurde krank in Russland, wurde zurückgebracht, starb im Lazarett in Frankfurt an der Oder und ist dort begraben worden.

1813 – wieder fing das große Morden an. Aber nun ging es nicht um die Rechte von fremden Herren. Nun galt es, die Freiheit zu erringen. Und es waren dabei die „auserlesenen Kerle“. Wir nennen ihre Namen!

Allen voran der junge Herr von Bodelschwingh! – Und die anderen? In der Mühle, von den Alten lebt noch Lehmkühlers Husar, ein Vorfahre von Stellmacher Raulf. Der hat den ersten und zweiten Krieg mitgemacht und nach 1870 „Die Wacht am Rhein“ gesungen. Der erzählt gerne vom Krieg. Bei einer Kindtaufe kommt er auf die Läuseplage zu sprechen. Der Herr Pastor Göbel, dem das Thema nicht passt, sagt: „Aber Herr Lehmkühler!“ – „Was?“ ruft Lehmkühlers Husar, „Ihr werdet das nicht glauben, Herr Pastor! Läuse hatten wir, so groß, so groß… wie diese Pfefferdose!“ Da schwieg der Pastor.

Der Baron von Bodelschwingh war bei Ligny verwundet durch einen Schulterhieb. Trösken aus Mengede fand ihn und schleppte ihn in den Kuhstall von einem Bauernhaus, das mit Verwundeten voll war.

Hin und her geht der Kampf; die Franzosen nehmen das Haus. Einer sieht die lange silberne Halskette von dem Offizier. Eilig riss er ihm die Kette ab, aber er rieb sie der Länge nach durch die schwere Schulterwunde. Abends sucht und findet Trösken seinen halb verbluteten Leutnant und sorgt für ihn. – Der Herr von Bodelschwingh war ihm dafür dankbar. Zeitlebens hat er eine Weide in Mengede pachtfrei. Der Baron behielt sein Leben lang einen steifen Arm.

In der Schlacht bei Issy in Frankreich fiel am 03. Juli 1815 der Bauer Möllmann, der Deserteur von Hameln.

Auf weiter, fremder Aue,
da liegt ein Soldat,
ein unbekannt Vergessener,
nein, vergessen sollen sie nicht sein!

Anmerkungen:

  1. Schopohl – Rektor an der Freigrafenschule von 1897 bis 1932
  2. Kötter – Landwirt
  3. Der Korse – Napoleon I. (1769 bis 1821)
  4. Strickreiter – Berittene Häscher, die mit Leinen, Stricken oder Netzen Jagd auf junge Männer machten, um sie für Napoleons Armee zu rekrutieren
  5. Kloppen – Griffe am Gewehr klopfen – üben
  6. Kumpanei – Kameraden
  7. Püster – Gewehr

Bericht: Gerd Obermeit

Er kam von hier wech

Johann Wilhelm Möllmann war Soldat im Befreiungskrieg der Preußen gegen die Armee von Napoleon (1813-1815). Er diente im 1. Westfälischen Landwehr-Infantrie-Regiment. Am 3. Juli 1815 ist er vor den Toren von Paris bei der Schlacht von Issy gefallen. Johann Wilhelm Möllmann war am 30. März 1790 in Bodelschwingh getauft worden. (Quelle: Dr. Ziesing). Weil es zu jener Zeit so zu sein hatte, ließ seine Taufgemeinde eine Gedenktafel (siehe Bild) für ihr im Krieg gefallenenes  Gemeindeglied anfertigen. Viel mehr wissen wir nicht über seine Person.** Er kam auf jeden Fall „von hier wech„, weshalb wir ihm mit der Archivierung seiner Gedenktafel ein Andenken bewahren wollten. Es ist davon auszugehen, dass die Gedenktafel zunächst an der Wand in der Schlosskirche hing. Bis wann, und was danach damit geschah, läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Gefunden wurde sie im Jahre 1977 beim Abbruch der ehemaligen Gaststätte „Alt Bodelschwingh“ auf der Deininghauser Strasse. Der als sehr heimatverbunden bekannte Mitbürger Friedhelm Hertz (1930-2011) war darauf aufmerksam geworden und nahm sie an sich. Von ihm gelangte die Tafel schließlich viele Jahre später in unser Archiv.

Johann Wilhelm Möllmann war Soldat im Befreiungskrieg der Preußen gegen die Armee von Napoleon (1813-1815). Er diente im 1. Westfälischen Landwehr-Infantrie-Regiment. Am 3. Juli 1815 ist er vor den Toren von Paris bei der Schlacht von Issy gefallen. Johann Wilhelm Möllmann war am 30. März 1790 in Bodelschwingh getauft worden. (Quelle: Dr. Ziesing). Weil es zu jener Zeit so zu sein hatte, ließ seine Taufgemeinde eine Gedenktafel (siehe Bild) für ihr im Krieg gefallenenes  Gemeindeglied anfertigen. Viel mehr wissen wir nicht über seine Person.** Er kam auf jeden Fall „von hier wech„, weshalb wir ihm mit der Archivierung seiner Gedenktafel ein Andenken bewahren wollten.

Gedenktafel für Johann Wilhelm Möllmann
Foto: Gerd Obermeit

Es ist davon auszugehen, dass die Gedenktafel zunächst an der Wand in der Schlosskirche hing. Bis wann, und was danach damit geschah, läßt sich heute nicht mehr nachvollziehen. Gefunden wurde sie im Jahre 1977 beim Abbruch der ehemaligen Gaststätte „Alt Bodelschwingh“ auf der Deininghauser Strasse. Der als sehr heimatverbunden bekannte Mitbürger Friedhelm Hertz (1930-2011) war darauf aufmerksam geworden und nahm sie an sich. Von ihm gelangte die Tafel schließlich viele Jahre später in unser Archiv.

Warum ich jetzt zu diesem Thema berichte:

„Er kam von hier wech“ weiterlesen

Landwirtschaft und Industrie in Bodelschwingh

Wie es im Leben so geht: Meine Frau geht öfter auf einen Trödelmarkt, kauft dann so „dies und das“, meist mehr für Familie und Freunde als für sich selbst. Sie weiß, dass ich gern (und viel) lese und mich in unserem Heimatverein Bodelschwingh und Westerfilde mit den „alten Zeiten“ beschäftige. So brachte sie mir ein Buch mit, das mich  allein schon vom Gewicht her beeindruckte: Es war die

Chronik des Ruhrgebiets

und darin auf der Seite 380 dieses Bild, das ich dann auch in Kleinform auf der vorderen Umschlagseite in der Bilderkollage entdeckte:

Foto von 1928: Zeche Westhausen aus der Sicht der Straße Wachteloh,  in Dortmund-Bodelschwingh“ , veröffentlicht in der Chronik des Ruhrgebiets des Chronik Verlages, WAZ Buch, Herausgeber Bodo Harenberg, 1987, Seite 380.

Das Foto (s/w) hat den Kontrast von Landwirtschaft und Bergbau zum Thema. Im Vordergrund die geernteten Korngarben, im Hintergrund, fast die ganze Breite des Fotos füllend, die Tagesanlagen der Zeche.

Anklicken zum Vergrößern
„Landwirtschaft und Industrie in Bodelschwingh“ weiterlesen

Die Brothusaren (9)

Zwei verschiedene Beiträge zum Thema

1.) Aus „Heimatblätter für Castrop und Umgegend, Nr. 3, März 1923

Die Brothusaren (von Friedrich Schopohl)

,,Not kennt kein Gebot“. Bettelei ist verboten, aber was sollten arme Leute machen, wenn sie unverschuldet in Not kamen. Sie mussten betteln.

Da sie sich des bettelns schämten, gingen sie nachts, schwärzten ihre Gesichter mit Ruß und klopften bei Bauern ans Fenster. Sie riefen: „Die Brothusaren sind da“. Bauern standen auf und reichten ihnen ohne Frage Brot oder Speck.

En altes Sprichwort sagt: ,,Vann reimen lecken kommt de Rüens ant Liär friäten“. Die Bettler nahmen überhand. Es wurde nicht gebeten, es wurde gefordert. Machten die Bauern nicht auf, dann wurden Scheiben eingeschlagen oder Steine flogen durch die Scheiben. Das war keine Bettelei, es war Räuberei. Da wehrte sich der Bauer mit Hunden und Flinten. Bald schossen auch die , „Brothusaren“.

„Die Brothusaren (9)“ weiterlesen

Der Jäger Louis (8)

Aus „Heimatblätter für Castrop und Umgegend“, Nr. 7, Juli 1924

Von Rektor Schopohl Bodelschwingh

Der verstorbene Graf Karl von Bodelschwingh hatte einen Jäger. Louis von der Horst hieß er. Aber das wußten wohl nur der Graf und sein Rentmeister, allgemein bekannt war er nur als Jäger Louis oder der alte Louis. Seine Heimat lag am Niederrhein, und er sprach ein breites Plattdeutsch, so daß man ihn allgemein für einen Holländer hielt. Er war von kurz gedrungener Gestalt und hatte einen langen Vollbart. Sein ganzes Tun und Treiben drehte sich um Wald und Wild, um Hunde und Flinten. Wer nicht gut schießen konnte, der war bei ihm ein dummer Junge, auch wenn er von hohem Adel und Würdenträger war.

Louis war des Grafen treuester Diener, wenn er auch niemals eine Verbeugung machte, niemals mit demütiger Gebärde eine Bitte äußerte, dagegen recht oft gegen seinen Herrn die ausgewählteste Grobheit an den Tag legte. Auch mit ihm redete er nur Platt, auch ihn redete er nur mit Du an. Das stammte vielleicht aus der Jugendzeit des Grafen.

„Der Jäger Louis (8)“ weiterlesen

Instruktion für den Nachtwächter der Kommune Bodelschwingh (7)

Mitgeteilt von Rektor Fr. Schopohl, Bodelschwingh, in:

Heimatblätter für Castrop und Umgegend, Nr. 2, Februar 1924

Einleitung

Friedrich Schopohl gibt für die Veröffentlichung der „Instruktion für den Nachtwächter“ als Datum den 3. Dezember 1815 an. Zu diesem Zeitpunkt war der Wiener Kongress beendet und das ehemalige Großherzogtum Berg von Napoleons Gnaden Preussisches Staatsgebiet. In der Wortwahl der Instruktion spiegelt sich noch die „Franzosenzeit“ wieder.

1. Die Nachtwache dauert vom 1. November bis 1. Mai, also sechs Monate.

2. Der Nachtwächter erhält das Bauernhorn, er verfügt sich damit abends Glocke Zehn aus dem Hause, patrolliert alle Stunden bis 4 Uhr morgens das ganze Dorf ab und kontrolliert sich selbst dadurch, daß er an dem ihm vom Vorsteher bestimmten Ort ein Signal durch Blasen und zwar um 10 Uhr einmal, um 11 Uhr zweimal, um 12. Uhr dreimal, um 1 Uhr einmal, um 2 Uhr zweimal, um 3 Uhr dreimal, um 4 Uhr viermal einen Ton durchs Horn gibt.

3. Sobald der Nachtwächter Feuersgefahr im Dorfe oder in der Nähe erblickt, bläst er Feueralarm und zwar dadurch, daß er anhaltend in langen Tönen bläst. Er weckt zugleich die Bewohner und benachrichtigt sie, wo das Feuer brennt.

„Instruktion für den Nachtwächter der Kommune Bodelschwingh (7)“ weiterlesen

Ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 1809 (6)

Heimatblätter , Nr. 10 Oktober 1924,

von Rektor Friedrich, Anton, Beda Schopohl, Bodelschwingh

In Sachen des Kammerherrn von Bodelschwingh – Plettenberg Klägers :/: verschiedene Eingesessene des Gerichts Bodelschwingh, nämlich wider den Schulte Lebbing, Tabe, Zur Nedden, Hohe, Ruthmann, Erdelhoff, Möllmann, Alef, Stamm, Leßmöllmann, Knuef, Wulff, Emsinghoff und Grasmann Beklagte erkennt der Ober-Appelations-Senat der Landesregierung zu Münster den Akten gemäß hierdurch für Recht, daß Kläger mit seiner , wider obbemeldete Eingesessene angebrachten Klage, wie heute geschieht, abzuweisen, auch schuldig die Kosten des Prozesses allein zu tragen. Das Urteil ist übrigens dem gesetzlichen Dimensionsstempel unterworfen.

Gründe: Kläger verlangt von den Beklagten vor wie nach die Leistung der ihnen bisher obgelegenen Spanndienste, Beklagte aber haben sich auf das allerhöchste Dekret vom 12. Dez. 1808 berufen, wodurch die Leibeigenschaft im Großherzogtum Berg völlig abgeschafft worden und sie als bisherige Leibeigene von allen Diensten unentgeldlich befreit worden wären. Nun hat zwar Kläger durchaus in Abrede gestellt, daß die Beklagten als wirkliche Leibeigene zu betrachten, indem notorisch keine Leibeigenschaft existiere und nie existiert habe, so daß das oben bemerkte Dekret auf diese Provinz niemals Anwendung leiden könne. Soviel Unkunde es indessen auf der einen Seite verräth, und so sehr man wesentliche Criterien mit zufälligen Eigenschaften verwechselt, wenn dann und wann einseitig behauptet worden, daß alle Bauern in der Grafschaft Mark ursprünglich Leibeigene gewesen, und sogar als solche noch jetzt betrachtet, mithin das Kaiserliche Dekret auf sie angewendet werden müsse, so ist doch auf der anderen Seite die Behauptung des Klägers zu gewagt, wenn er aus derselben einen exemtorischen [berechtigten] Einwand gegen die Beklagten herleiten will. …

„Ein Gerichtsurteil aus dem Jahre 1809 (6)“ weiterlesen

Die Bede (Pacht) und deren Ablösung (5)

von Friedrich Schopohl

Einleitung von Otto Schmidt

Um das Jahr 1850 wurde in Bodelschwingh das alte Feudalsystem mit der Bauernbefreiung in Preußen aufgelöst. Bis dahin konnte ein Dorfbewohner kein Eigentum an Grund und Boden erwerben, der gehörte dem Grundherren. Er hatte nur die Möglichkeit, das Land, auf dem das Hofgebäude aufstand und den Acker, auf dem er die Frucht anbaute, zu pachten. Die Pacht (Bede) war jährlich und direkt an den Grundbesitzer zu zahlen. Der Pachtvertrag  war nicht vererb- oder übertragbar. Sollte nach dem Tod eines Pächters die Hofstelle von einem Sohn der Familie weiter bewirtschaftet werden, musste das Pachtrecht mit der Zahlung eines Gewinns neu erworben werden.

Mit dem Inkrafttreten des Grundentlastungsgesetzes im Königreich Preußen bestand jetzt die Möglichkeit für den Hof-Aufsitzer (Bauer), den bisher gepachteten Grund und Boden mit einer Ablösung zu erwerben.

Otto Schmidt

Dazu wurde der Wert, Geld- und Sachwert (das Gefälle) der bisherigen Jahrespacht nach einem einheitlichen Verfahren berechnet. Diese Summe wurde mit 20 (Jahren, der Laufzeit des Vertrages) multipliziert und das war dann der Wert der Pacht, die zur Ablösung anstand.

„Die Bede (Pacht) und deren Ablösung (5)“ weiterlesen

Was man sich in Bodelschwingh erzählt (4)

Was man sich in Bodelschwingh noch aus der Zeit vor 100 Jahren erzählt:

Heimatblätter für Castrop und Umgegend, August 1924, von Rektor Schopohl Bodelschwingh

Als Napoleon einst durch Westfalen kam, ließ er sich überall die Beamten vorstellen. So stand auch eines Tages der Herr von Bodelschwingh als Maire von Castrop vor seinem neuen Herrn. Napoleon blickte ihn scharf an und sagte nur das eine Wort: „Prusse!“ Der Baron entgegnete: „Majestät, dem Fürsten, dem ich untertan, dem war ich stets auch zugetan!“.

Alef aus Westerfilde, der die Reise nach Paris unternahm, um Napoleon eine Bittschrift über die Befreiung der Bauern zu überreichen, war, wie eben schon diese Reise beweist, ein sehr energischer Mensch. Das erzählte mir ein alter Mitbürger, der ihn zwar nicht mehr selbst gekannt, aber von seinem Großvater darüber erfahren hatte. Alef war kein großer, stattlicher Mann; er hatte kaum mittlere Größe. Eine Schulter war etwas ausgewachsen. Er trug einen bleuen Kittel, ledernen Zylinder oder Lederkappe und am Arm eine kräftige „Wispelte“. Alefs Energie zeigte sich auch gern auf Hochzeiten und Kirmessen. Davon erzählte auch die folgende Vorladung: „An den Munizipal Jöhe-Westerfilde wegen der auf dem Viehmarkt zu Mengede, den 28. September 1808 vorgefallenen Exzesse“.

„Was man sich in Bodelschwingh erzählt (4)“ weiterlesen

Die Befreiung der Bauern (3)

von der Leibeigenschaft

von Friedrich Schopohl

Wirtschaftliche und politische Zustände welche im Laufe von Jahrhunderten entstanden und gefestigt sind, lassen sich nicht im Handumdrehen ändern. Der erste große Versuch, Erbuntertänigkeit und Leibeigenschaft abzuschütteln, fand seinen gewaltsamen Ausbruch und sein furchtbares Ende im sog. Bauernkriege.

Einzelne Landesherren kamen allmählich zu der Einsicht, daß Aenderungen auf diesem Gebiete nötig waren. Daher erließ der Herzog von Cleve im Jahre 1522 eine Verordnung, welche das Abschließen von neuen Leibeigenschaftsverträgen verbot; und dies Gebot galt auch für unsere Gegend.

Friedrich Schopohl

Friedrich der Große gab den Bauern auf seinen Gütern die Freiheit, ebenso machte er die Ruhrbergleute frei, indem er unterm 16. 5. 1767 durch das berühmte ,,Generalprivilegium für die Bergleute im Herzogtum Cleve, Fürstentum Moers und der Grafschaft Mark“ den Bergleuten folgende Vorrechte verlieh:

„Die Befreiung der Bauern (3)“ weiterlesen